(08.08.2018) Weil die EU dringend erforderliche Entscheidungen vor sich her schiebt, fehlt es der Transport- und Logistikbranche an Planungssicherheit, kritisiert der LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure.

„Unschlüssig und zäh“ ziehen sich aus Sicht des Landesverbands Bayerischer Spediteure – LBS e.V. insbesondere die Arbeiten der EU am „Mobility Package 1“ hin. Darin sind diverse Pläne gebündelt, um einzelne Aspekte des Güterverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu standardisieren und zu vereinheitlichen. Im ersten von insgesamt drei Paketen geht es zum Beispiel um Kriterien des Marktzugangs und um Maut-Regeln, vor allem aber um Sozialvorschriften wie Lenk- und Ruhezeiten und Mindestlöhne. Zuletzt hatte sich zwei Mal innerhalb kurzer Zeit im Europäischen Parlament kein Kompromiss für entsprechende Regelungen finden lassen. Die Folge: Stillstand in einem Bereich, der dringend Bewegung bräuchte.

„Wir beobachten hier seit zu langer Zeit, dass dringend erforderliche Entscheidungen nicht zustande kommen und es für die Unternehmen der Transport- und Logistikbranche in Bayern weiterhin an Planungssicherheit fehlt“, stellt LBS-Geschäftsführerin Sabine Lehmann fest. Dabei ist vor allem die Bündelung von Aufgaben mit unterschiedlicher Priorität und Gewichtung in einem Paket aus Sicht des Branchenverbands nicht zielführend.

Abschottung nationaler Verkehrsmärkte

Dringendstes Thema aus Sicht des LBS ist eine schnelle, präzise und belastbare Klärung, wo, wann und in welchem Umfang die Entsenderichtlinie bzw. der Mindestlohn greift – und wo, wann und warum nicht. „Wir befinden uns im Jahr 28 nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen, das die Grenzen in Europa geöffnet und damit den Weg für eine neue Dimension von Mobilität auf unserem Kontinent geöffnet hat. Es erschließt sich auch bei sorgfältigstem Abwägen nicht, warum es weiterhin Schieflagen und Missstände bei der Gleichbehandlung von Warentransporten und -verkehren gibt“, kritisiert Lehmann.

„Immer neue Projekte kommen auf den Tisch, ohne dass die begonnenen an ein Ziel gelangt sind. Mitt-lerweile hat die Kommission vor nunmehr einem Jahr schon ihr drittes Paket vorgelegt, das betitelt ist mit „Europa in Bewegung“. Gleichwohl sehen wir keine entscheidenden Fortschritte bei dringend erforderlichen Maßnahmen und Regelun-gen. Aus unserer Sicht müsste es eher „Europa im Entscheidungsstau“ heißen.“

Ein klassisches Beispiel für dringenden Handlungsbedarf ohne Aussicht auf Lösung liefert das „Entsenderecht“: Dem Gedanken des deutschen Mindestlohngesetzes (MiLoG) folgend verfügen inzwischen auch Frankreich, Italien, Österreich, Norwegen, Luxemburg, Belgien, Tschechien und die Niederlande über rechtliche Grundlagen, die den Einsatz ausländischen Fahrpersonals im grenzüberschreitenden und im innerstaatlichen Güterverkehr erschweren. Neue Verwaltungshürden und Meldepflichten führen dazu, dass nationale Verkehrsmärkte im europäischen Binnenmarkt für gebietsfremde Transportunternehmen weiter abgeschottet werden. An diesen Hürden kommen Logistikprozesse ins Stolpern, sie werden langsamer und teurer.

„Solche Handelshemmnisse stehen dem europäischen Ziel des freien Warenverkehrs entgegen“, sagt Lehmann. Hier sei dringend und unabhängig von anderen Maßnahmen eine Lösung gefordert, bei der die besonderen Merkmale der mobilen Arbeit des Fahrpersonals im Rahmen internationaler Transportdienstleistungen berücksichtigt sind, weil diese sich hinsichtlich Arbeitsdauer und -struktur signifikant von stationär durchgeführten Arbeiten im Ausland unterscheiden. „Das ist keine Frage der Interpretation, das sollte gelebte europäi-sche Wirklichkeit sein.“ Denn absolut ungleiche Wettbewerbsbedingungen inner-halb eines Wirtschaftsraums können in der Praxis nicht funktionieren.

Gesetz ohne ausreichende Kontrolle bleibt „zahnloser Riese“

Begrüßenswert ist aus Sicht des LBS, dass sich der Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN) im Europäischen Parlament wenigstens für ein ‚Lex Specialis‘ im Rahmen des Entsenderechts ausgesprochen hat. Es soll den Anwendungsbereich im Straßengüterverkehr auf innerstaatliche Verkehre ausländischer Transportunternehmen begrenzen – sprich: Mindestlohnregeln greifen nicht, wenn ein Transportfahrzeug ein Land nur durchquert. Damit stärke der Ausschuss die auf die „Arbeitsteilung, Spezialisierung und offene Grenzen“ aufgebaute Logistik in der EU, ohne den Arbeitnehmerschutz aus den Augen zu verlieren.

Die konsequente Umsetzung des vom TRAN ebenfalls beschlossenen Vorschriftenpakets zu Lenk- und Ruhezeiten, Übernachtungen im Fahrzeug und zur Wochenruhezeit sei zudem ein richtiger Weg, um die Arbeits- und Sozialbedingungen im internationalen Straßengüterverkehr deutlich zu verbessern und das häufig angeprangerte „Fahrernomadentum“ zu bekämpfen. Allerdings, so wendet Lehmann ein, ist das Gesetz für sich allein ein zahnloser Riese: „Ohne verstärkte behördliche Kontrollen unter Einsatz digitaler Prüfmöglichkeiten bleiben sämtliche neuen Regulierungsansätze wirkungslos.“ Der erkennbare Versuch, diese Lücke durch noch mehr Gesetze und Verordnungen zu schließen, sei der falsche Weg.

Grundsätzlich sei das Ziel der Europäische Kommission sehr zu begrüßen, den wettbewerbs-, sozial- und umweltpolitischen Ordnungsrahmen für den Straßengüterverkehr in den EU-Mitgliedstaaten neu zu fassen. „Es liegt im unmittelbaren Interesse aller Branchen-Unternehmen in Bayern – und in ganz Deutschland - wenn die Verkehrssicherheit verbessert, eine gerechtere Mauterhebung gefördert sowie Luftverschmutzung, Verkehrsüberlastung und illegale Beschäftigung bekämpft werden“, sagt Lehmann. „Auch die angestrebten, vergleichbaren und sozi-alverträglichen Bedingungen für Arbeitnehmer sehen wir im Zeichen von Fachkräftemangel und Standortwettbewerb als wesentliches Kriterium für den Erfolg unserer Unternehmen.“

„Taktieren und Suchen“ statt „Handeln und Entscheiden“

Der LBS verweist auf ein Positionspapier des Bundesverbands „Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V.“ (DSLV) vom Juli 2017, demzufolge das damals von der EU-Kommission vorgelegte erste Maßnahmenpaket „entscheidend zur Harmonisierung des innereuropäischen Wettbewerbs beitragen“ könnte. Wobei die Herausforderung darin bestünde, die Prinzipien der Wettbewerbs-, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarktes mit sozialen und Umweltinteressen in Einklang zu bringen. Damals war auch noch der Wille zu spüren, dieses Paket in der laufenden Legislaturperiode zu beschließen. Dementsprechend aktiv haben alle Beteiligten daran gearbeitet.

Bei allem Verständnis dafür, dass es gilt gegensätzliche Haltungen in West- und Osteuropa zu integrieren, ist der Status quo nicht widerspruchslos hinnehmbar: „Nun beobachten wir nur noch ein Taktieren und Suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, als dass wir eine Erfüllung des Anspruchs, für Rechtssicherheit zu sorgen, auch nur am Horizont erkennen könnten“, so Lehmann in einem Rückblick. In den seither verstrichenen 12 Monaten seien zwar zwei weitere Pakete geschnürt, aber keinerlei greifbare Fortschritte erzielt worden. „Wer sich die Pakete genau ansieht, wird feststellen, dass kleinere Übereinkünfte herausge-nommen und immer neue Problemfälle hineingesteckt wurden.“ LBS_BRENNPUNKT_August_2018_Mobility_Package.pdf

 

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