(28.03.2019)

Zwar hat die EU-Kommission aufgrund umfangreicher Proteste angekündigt, die "A1-Bescheinigung" abschaffen und durch eine modernere Form des Sozialversicherungs-Nachweises zu ersetzen. Gegenwärtig jedoch stellt die Bürokratie das Dokument, das Teil des Entsendegesetzes ist, eine enorme Hürde im innereuropäischen Geschäftsverkehr dar.

Die verschärfte Prüfung von sogenannten A1-Bescheinigungen steht aus Sicht des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. im direkten Gegensatz zur Arbeits-Freizügigkeit im vereinten Europa. „Wir befinden uns auf dem besten Weg, dass durch die Hintertür im EU-Raum so wieder „Arbeitsvisa“ für Bürger aus anderen Ländern eingeführt werden,“ übt Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS, scharfe Kritik an dieser Entwicklung. „Eine eigentlich gute Sache wird damit in ihr Gegenteil verkehrt: Aus der Prüfung im Rahmen des Entsendegesetzes, wo ein EU-Bürger sozialversichert ist, wird ein Hürdenlauf durch Bürokratie und Sanktionen. Die Freiheit, auch kurzfristig Termine in Nachbarländern wahrzunehmen, wird massiv eingeschränkt. Zumal auf der technischen Seite des Prozesses noch massive Defizite bestehen.“

Dass die EU-Kommission nun angekündigt hat, sie wolle die „Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ modernisieren, in diesem Zuge die Bescheinigung abschaffen und durch modernere Methoden zur Betrugsbekämpfung ersetzen, ist nach Auffassung des LBS, „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Es würden weder Fristen genannt, in denen dies geschehen solle, noch gebe es kurzfristig Abhilfe für die bestehenden Hürden. „Die Behinderungen im Geschäftsverkehr bestehen jetzt und heute“, so Lehmann, „die aktuellen Zustände sind untragbar.“

Am Beginn der aktuellen Entwicklung stand ein Schritt zur Digitalisierung des A1-Prozesses, der den Betroffenen eigentlich die Arbeit erleichtern sollte: Seit Beginn dieses Jahres kann die A1-Bescheinigung - eine entscheidende Änderung - elektronisch beantragt werden, ab 1. Juli ist der Online-Antrag sogar Pflicht. Viele Unternehmen sind zwar durch entsprechende Notizen darauf aufmerksam geworden. Das bedeutet im Prinzip eine Erleichterung für Unternehmen, die regelmäßig ins Ausland reisende Mitarbeiter damit ausstatten müssen. Bei kurzfristig erforderlichen oder gelegentlichen Auslandsreisen jedoch, zum Beispiel für einen Wartungsauftrag oder ein Kundengespräch, erweisen sich die langen Bearbeitungsfristen jedoch weiterhin als Hindernis.

In der Vergangenheit sind die Unternehmen daher differenziert vorgegangen. In den ersten Wochen dieses Jahres jedoch sahen sie sich auf breiter Ebene mit gehäuften Kontrollen im Ausland, insbesondere in Frankreich und Österreich, konfrontiert. Betroffen sind zum Beispiel Geschäftsführer, die zu einer internationalen Tagung oder einem Seminar reisten, oder Mitarbeiter, die auf dem Weg von Deutschland nach Deutschland die Grenze passierten. Auch Selbständige sind offenbar schon zur Vorlage aufgefordert worden. Die Sanktionen reichen von Geldstrafen im fünfstelligen Bereich bis zum Verbot, Unternehmensräume im Ausland zu betreten. Auch können sich Verstöße wettbewerbsrechtlich nachteilig auswirken.

„Allein die Tatsache, dass die Bescheinigung nicht auf Vorrat oder für einen längeren Zeitraum ausgestellt werden kann, macht sie zu einer Bremse im innereuropäischen Geschäftsverkehr“, kritisiert Lehmann und fügt an: „Das Problem ist allerdings noch größer. Während in Sachen elektronischer Beantragung Einheitlichkeit herrscht, gelten von Land zu Land unterschiedliche Regeln, für welche Art von Reisen und für welchen Personenkreis die Mitführungspflicht besteht.“

Weil Angestellte wie Selbständige für unterschiedliche Länder unterschiedliche mehrseitige A1-Bescheinigungen brauchen, müssen ihre Unternehmen einen unzeitgemäßen Aufwand treiben, um sich regelkonform zu verhalten. Teilweise beschäftigen sich in Unternehmen mittlerweile ein oder mehrere Mitarbeiter damit. „Solch offene Fragen und Intransparenz bei der Anwendung sind keine solide Grundlage für die Umsetzung einer Regelung“, so Sabine Lehmann. „Das gesamte Procedere ist ein Zeugnis überbordender Bürokratie, die das vereinte Europa eigentlich überwunden haben sollte.“

Im krassen Kontrast zur elektronischen Eingabemöglichkeit und künftigen Eingabepflicht steht zudem die Tatsache, dass es bisher keine standardisierten IT-Prozesse zur Erfassung und Eingabe der nötigen Daten gibt. Viele Arbeitsschritte sind händisch nötig. Der Aufwand in den Unternehmen ist daher hoch, ohne dass damit Fortschritte beim Umsetzen der Entsende-Richtlinie erzielt werden.

„In Zeiten der Digitalisierung sollte es möglich sein, über einheitliche, europaweit gültige Dokumente den rechtlichen Zustand des Inhabers ohne Verzug festzustellen“, sagt Lehmann. „Wir sehen hier den Handlungsbedarf eindeutig bei den Mitgliedsstaaten der EU und ihren Behörden. Es ist ein Anachronismus, dass in einer Gesellschaft der offenen Grenzen auf diese Weise neue Barrieren errichtet und reisende Bürger kriminalisiert werden.“ Im Vorfeld der Europawahl sieht es der LBS als parteiübergreifend dringlich, bei der A1-Problematik schnell Abhilfe zu schaffen.

INFO: Bei der A1-Bescheinigung handelt es sich, vereinfacht dargestellt, das Äquivalent zum Sozialversicherungs-Ausweis oder, wie es die Deutsche Rentenversicherung formuliert: „Durch die Bescheinigung A 1 über die anzuwendenden Rechtsvorschriften (Entsendebescheinigung) bestätigt der zuständige Sozialversicherungsträger, dass ein Arbeitnehmer für die Zeit seiner Beschäftigung im Ausland der Sozialversicherung seines Heimatstaats angehört.“ Er spielt daher im Rahmen der novellierten EU-Entsenderichtlinie (96/71/EG) europaweit eine wichtige Rolle, seine Mitführung bei Auslandsreisen ist obligatorisch.

 pdfLBS_BRENNPUNKT_A1_Bescheinigung_März_2019

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