(07.07.2021)

Unternehmen und Systeme geraten an ihre Kapazitätsgrenzen, weil die Flut an Sendungen nicht mehr abreißen will. Der LBS weist auf mögliche Einschränkungen in der Lieferlogistik hin und macht deutlich, dass Online-Bestellboom und innerstädtische Verkehrsraum-Begrenzung einander in die Quere kommen.

Der Boom beim Online-Handel wirft seine ersten Schatten auf die Logistiksysteme in Deutschland. Große Dienstleister haben angekündigt, wegen des hohen Stückgutaufkommens im Verteilerverkehr künftig bei der Beförderung selektiv vorzugehen und Stammkunden zu bevorzugen. „Damit spitzt sich eine Entwicklung zu, die sich bereits seit Monaten andeutet“, kommentiert Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. und verweist auf bundesweit erhobene Zahlen. Diesen zufolge stieg das Sendungsvolumen im März und April 2021 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um bis zu 20 Prozent, in Einzelfällen sogar noch darüber. In den Jahren 2019 und 2020 hatte es noch eine insgesamt konstanten Mengenverlauf gegeben. „Im Prinzip sehen wir einen Weihnachtsgeschäfts-Peak, der zum Normalzustand wird“, sagt Lehmann.

Vielfältige Ursachen für wachsendes Volumen

Die Ursachen für diesen sprunghaften Anstieg sind vielfältig, wie der LBS mit Blick auf Bayern wie auch auf das Bundesgebiet feststellt. „Verschiedene Wirtschaftszweige sind dabei, ihre Rückstände aus dem vergangenen Jahr aufzuholen, in dem die Corona-Pandemie und ihre Folgeerscheinung sich bremsend auf Beschaffung und Produktion ausgewirkt haben“, so Lehmann. „Dabei erkennen wir deutlich, dass Ressourcen neu verortet und Beschaffungswege verändert werden, um Vorsorge für mögliche künftige Störungen zu treffen.“ Erkennbar sei auch ein geändertes Verhalten bei Zulieferern, die auf die überraschenden Engpässe in der Krise reagieren und nun zu einer gewissen Vorratshaltung zurückkehren, um künftig flexibler auf die Industrienachfrage reagieren zu können.

Exportwachstum und Konsumverhalten erhöhen das Aufkommen

Darüber hinaus entwickelt sich nach Beobachtung des DSLV Bundesverbands Spedition und Logistik das Exportvolumen wieder und auch das Konsumverhalten ebbt nicht ab, wodurch der Online-Handel weiter beschleunigt wird. Deshalb wachse für Systemlogistiker neben dem B2B-Markt jetzt auch der B2C-Markt. Während vor der Pandemie Sendungen an Privatkunden noch eher die Ausnahme waren, gehören sie mittlerweile zum Alltag. „17 Prozent des speditionellen Sammelgutgeschäfts entfallen inzwischen auf den viel kleinteiligeren Privatkundenanteil. Sowohl dessen Integration in die industrialisierten Abläufe des klassischen Stückgutgeschäfts als auch der alternative Aufbau einer parallelen Produktionsstrecke für B2C-Sendungen ist äußerst anspruchsvoll und kostenintensiv für die Netzbetreiber“, zitiert Lehmann eine Analyse des DSLV.

Hoher Aufwand bei Zustellung an Privatkunden

Die Zustellung an Privatkunden bedeutet deutlich mehr Aufwand, weil z. B. eine „Zustellinfrastruktur“ fehlt: Terminvereinbarungen, Parkplätze, Entladehilfen, usw. In der Summe bedeutet dies, dass Systemlogistiker und ihre Stückgutnetze immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Ähnlich wie aus nicht angepasster Geschwindigkeit auf der Autobahn ein Stau aus dem Nichts entsteht, entwickelt die Stückgut-Flut eine Eigendynamik: Nicht zustellbare Sendungen blockieren die Lager oder lassen sie überlaufen, was wiederum die Annahme und den Transport neuer Sendungen verzögert oder verhindert.

Betriebe arbeiten an der Belastungsgrenze

„Mitunter fehlen schlicht Fahrzeuge und Personal, um die Mengen noch aufzunehmen“, so Lehmann. „Obwohl die Pandemie-Regeln derzeit gelockert werden, sorgen sie weiterhin für Reibungsverluste in den Betrieben und im System, das Personal arbeitet an der Belastungsgrenze – nicht zu schweigen von den Nachwirkungen der Ausnahmesituationen in den zurückliegenden 16 Monaten.“

Logistik-Unternehmen, die Systemverkehre anbieten, sind daher zur Selektion gezwungen, um ihre Bestandskunden weiterhin vertragsgerecht und zuverlässig zu bedienen. Daraus ergibt sich die fallweise Ablehnung von Aufträgen, die das System sprengen würden. Um Leistungszusagen, insbesondere Anforderungen an die Pünktlichkeit, vertragsgerecht zu erbringen, sind viele Logistiker gezwungen, bestehende Prozesse unter Extra-Last zu fahren und die bestehenden Optionen der Flexibilisierung einem neuen Dauerzustand zu opfern.

Einpendeln auf Normalmaß benötigt Zeit

„Der LBS hat großes Verständnis dafür, dass Logistikunternehmen bestehende Transportketten und -systeme schützen wollen und müssen, um Versorgungssicherheit herzustellen“, so Lehmann. „Wenn aus diesem Grund Sendungen abgelehnt werden müssen, ist dies kein mangelnder Kundendienst, sondern gelebte Verantwortung.“ Nach Ansicht des Landesverbands Bayerischer Spediteure brauche es eine gewisse Zeit, bis sich die Zustände an allen Punkten der Lieferkette wieder auf das Normalmaß vor der Pandemie einpendeln.

Hindernisse vor allem im innerstädtischen Verkehrsraum

Das anhaltende Wachstum im Online-Handel indes benötige wegen der stark segmentierten Transporte aber dringend eine Lösung – nicht nur für die Systemverkehre über Land, sondern auch für die Distribution zu den Kunden. Da sind umgewidmete Parkplätze oder Haltebuchten genauso wenig eine Hilfe, wie eine Verschärfung der Bußgeldregelungen für das Abstellen von Fahrzeugen z. B. auf Radwegen oder in zweiter Reihe“, kritisiert der LBS. „Richtig ist, dass Fahrzeuge dort nicht hingehören. Der massive Mangel an Alternativen für die Verteilerverkehre, ebenso wie für die Paketdienste, lässt sich mit Halteverboten aber nicht aus der Welt schaffen. Der Straßenraum ist ein knappes Gut. Aber wir brauchen gerade für den Wirtschaftsverkehr praktikable Lösungen, damit es dort stau- und hindernisfrei sowie ohne Kapazitätsengpässe läuft. Das ist nicht zuletzt bedeutsam für die Fahrerinnen und Fahrer, für die diese Situationen zusätzlichen Stress bedeuten.“

pdfLBS BRENNPUNKT Stückgut Juli 2021

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